Archiv für 24. Oktober 2011

Patrick Henningsen

Offenbar wurde das endgültige Urteil gegen den früheren libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi bereits durch die NATO-Rebellen verhängt und vollstreckt, aber möglicherweise ist die westliche Zivilisation, die sich von ihren moralischen Werten abgewendet hat, bereits in ein noch blutigeres und entsetzlicheres Schicksal verstrickt.

Der Mann, der sein Land 1969 von der tyrannischen Diktatur des damaligen Königs Idris I. befreite, wurde am vergangenen Donnerstag angeklagt und mit Schüssen hingerichtet. Gaddafi nahm sich Umar al-Muchtar (1862-1931) als Vorbild. Muchtar war der einzige andere Anführer, der sich an die

Spitze eines genuinen und unabhängigen libyschen Widerstandes gestellt und gegen die brutale Kolonisierung durch Italien 1927 gekämpft hatte. Heute ist Gaddafi nur ein weiterer toter Diktator.

So zumindest besagt es die neue Darstellung und Propaganda in den USA und Europa, wo ausländische Staats- und Regierungschefs und andere nichtstaatliche Akteure mit dunklerer Hautfarbe in Hauptstädten wie Washington, London und Paris im Rahmen von Pressekonferenzen von in Maßanzügen gekleideten Politikern in aller Ausführlichkeit angeklagt und abgeurteilt werden. Dies wird dann von den Medienkonzernen aufgegriffen und verbreitet, bis ein neuer Feind gefunden ist, mit dem man die Öffentlichkeit unterhalten kann.

Nach der »ritterlichen« Erstürmung und Erschießung des bereits schon lange toten Osama bin Ladens, die vom Weißen Haus schon auf fast absurd-lächerliche Weise inszeniert wurde, und ohne dass authentische und unabhängige Beweise dafür vorgelegt wurden, dass sich – anders als bei Obamas Fernsehansprachen – alles tatsächlich so abgespielt hatte, waren wir nun Zeuge der nächsten öffentlichen Hinrichtung. Aber immerhin rechtfertigte Obamas an den Haaren herbeigezogene Darstellung der Bin-Laden-Operation irgendwie all die unschuldigen Leben, die durch die Inhaftierung und Folter Tausender junger Männer durch die Amerikaner seit dem offiziellen Beginn des Krieges gegen den Terror vernichtet wurden.

Ohne Zweifel wird der Fernsehsender Al Dschasira immer wieder die verwackelten Bilder der Handykamera ausstrahlen, auf denen zu sehen ist, wie ein Mann fast entkleidet von einem NATO-Rebellenmob durch die Straßen von Sirte gezerrt wird. Irgendwie hoffen sie, dass der brutale Umgang mit dem toten Gaddafi ihre leichtfertigen Aktionen und den Tod so vieler tausend Unschuldiger rechtfertigt, so dass Libyen nun endlich Teil des globalistischen, auf Schulden basierenden, neoliberalen Wirtschaftssystems des Internationalen Währungsfonds werden darf.

Der Westen und die Finanzelite haben außer den Rentenfonds und dem Einkommen der Mittelklasse nichts mehr übrig gelassen, was noch ausgeplündert werden könnte, so dass sie sich nun den Ländern im Osten und Süden zuwenden müssen, um ihre sich trauriger Weise leerenden Schatztruhen wieder zu füllen.

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