Michael Brückner
»Big brother is watching you« – als George Orwell 1949 seinen Roman 1984 veröffentlichte, gab es noch kein Internet. Sonst hätte er sein Werk, in dem er den perfekten Schnüffelstaat beschreibt, vielleicht »ACTA« genannt. Das so genannte neue Handelsabkommen, das unter strengster Geheimhaltung von einer internationalen Mauschelrunde ausgehandelt wurde, dürfte die Freiheit des Internets und die Bürgerrechte erheblich einschränken. Allmählich erkennen die ersten Politiker, dass sie sich zu willfährigen Komplizen der amerikanischen Verwertungsindustrie gemacht haben.
Am Rande des G-8-Gipfels in Sankt Petersburg im Jahr 2006 trafen sich unbemerkt von der Öffentlichkeit Regierungsvertreter aus den USA und Japan. Sie stießen ein Projekt an, das in weiten Teilen der Welt Bürger- und Informationsrechte beschneiden und die Möglichkeiten des Internets drastisch einschränken wird. »ACTA« heißt das neue internationale Handelsabkommen,
das es in sich hat und in diesen Tagen Massenproteste auslöst. Die Abkürzung steht für »Anti-Counterfeiting Trade Agreement« und verfolgt scheinbar hehre Ziele. So soll es Produktpiraterie eindämmen und die Verletzung von Patenten zum Beispiel im Bereich der Pharmazie sowie von kreativen Leistungen, die etwa Musiker und Autoren erbringen, weitgehend unterbinden.
Auf den ersten Blick ein begrüßenswerter Schritt: Wer ein Produkt einer renommierten Marke ersteht und dafür viel Geld ausgibt, will sicher sein, dass er keine dreiste Fälschung erhält. Und wenn die Arbeit eines Autors nicht mehr angemessen honoriert wird, weil seine Werke illegal und kostenlos im Internet kursieren, muss er sich bald nach einem neuen Job umschauen. Warum also die ganze Aufregung um ACTA?