Wolfgang Eggert
Chronos Medien Vertrieb GmbH
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München, 2011
Japan hat die drittgrößte Atomenergieproduktion nach den USA und Frankreich. Über 40% seiner Elektrizität werden mit Kernenergie gespeist. Weniger bekannt ist, dass Tokio damit auch in den Besitz bedeutender Mengen von Plutonium gelangt; bereits im Dezember 1995 belief sich der Bestand auf 4.7 Tonnen. Dieser Zusammenhang birgt einigen Zündstoff, denn Japan besitzt in Rokkasho auch einen Betrieb zur Anreicherung von Uran – einer von zwei Wegen zum Bau von Atomwaffen.
Plante das Land in Fernost den Schritt zur militärischen Nuklearmacht, so stünden die dafür notwendigen ballistische Trägersysteme Gewehr bei Fuß: Denn Japan entwickelte zeitgleich mit der Errichtung der Aufbereitungsanlage im Rahmen eines 15 Billionen Yen-Programms die dreistufige Rakete M-V (auch M-5 und Mu-5). Bislang zivil zur Einbringung von Satelliten in den Orbit genutzt, wären die Raketen auch im Rahmen der Streitkräfte leicht umrüstbar. [1] Festtreibstoffraketen wie die M-V sind bei militärischen Verwendungen das „Mittel der Wahl“, da sie über lange Zeiträume gelagert und im Bedarfsfall ebenso unverzüglich wie verlässlich gestartet werden können. Stimmigerweise verwiesen japanische Abgeordnete auf Erfordernisse der nationalen Sicherheit, als 2003 im Zuge der Transferierung der Entwicklungsgesellschaft Institute of Space and Astronautical Science ISAS in die Japan Aerospace Exploration Agency zugleich die Umrüstung auf Flüssigbrennstoffbeladung zur Diskussion stand. Yasunori Matogawa, ISAS-Chef für außerbetriebliche Angelegenheiten, kommentierte in diesem Zusammenhang:
Es hat ganz den Anschein, daß die Hardliner zu Fragen der Nationalen Sicherheit im Parlament ihren Einfluss ausweiten, ohne dabei auf große Kritik zu stoßen. … Ich denke, wir bewegen uns in einen sehr gefährlichen Zeitabschnitt. Wenn Sie die gegenwärtigen äußeren Umstände in Betracht ziehen und die Bedrohungslage durch Nordkorea, so ist das beängstigend.” [2]
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[2] Detroit Free Press, 11. Juli 2003, Japan ponders nuclear weapons
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Weltkriegs der erste und bis heute offiziell einzige Staat, der mit Kernwaffen angegriffen wurde. An den Folgen der amerikanischen Bombeneinsätze gegen die Städte Hiroshima und Nagasaki starben binnen kurzer Zeit eine Viertelmillion Menschen. Der desaströsen Erfahrung wegen ließ sich Tokio bisher erfolgreich in den Verzicht derartiger Waffensysteme drängen. Gleicher Grund, anderer Spin, konträre Entwicklung: Die Befürchtung, noch einmal einem solchen Angriff schutzlos ausgeliefert zu sein ließ in der politischen und militärischen Führung des Inselstaats immer wieder die Forderung nach nuklearem Abschreckungspotenzial laut werden. Gerade die atomare Aufrüstung der kommunistischen Nachbarn China und Nordkorea wurden als tickende Zeitbombe verstanden, der sich Tokio früher oder später zu stellen hatte. „Pläne und Know How für eine japanische Atombombe existieren ohne Zweifel, erst recht Bestände von mehr als 20 Tonnen Plutonium – ausreichend für 4000 nukleare Sprengköpfe“, textete am Vorabend von George W. Bushs Wüstenstürmen im Jahr 2003 die deutsche „Welt“. Rokkasho und das M-V Programm waren beredte Zeugen dieser Feststellung. [3]
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[3] Welt-Online, 13. Januar 2003, George W. Bush wird wegen Koreakrise zunehmend kritisiert
Archiviert: HYPERLINK “http://www.welt.de/print welt/article336200/George_W_Bush_wird_wegen_Koreakrise_zunehmend_kritisiert.html” http://www.welt.de/print welt/article336200/George_W_Bush_wird_wegen_Koreakrise_zunehmend_kritisiert.html
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Dass die Zeichen der Zeit erkannt wurden, offenbarte zwei Jahre später ein „offener Brief“, mit dem sich Spitzenvertreter aus der militärisch-politischen Welt Amerikas an ihren asiatischen Hauptverbündeten wandten. Überschrift „Japan: der Atomwaffensperrvertrag braucht Verstärkung. Ein Aufruf an Japan den Atomwaffensperrvertrag durch unbefristete Aufschiebung des Betriebs der Wiederaufbereitungsanlage Rokkasho zu kräftigen.“ [4] Text:
Am 1. Dezember 1997 erklärte Japan, sein nuklearer Brennstoffkreislauf basiere auf „dem Prinzip ´keine Plutoniumanhäufung´. Demgegenüber war Japans Plutoniumarsenal bis Ende 2003 von 24,1 auf 40,6 Tonnen gewachsen – genug für 5000 nukleare Sprengköpfe (5,4 Tonnen lagern gegenwärtig in Japan, der Rest wird für Japan in französischen und britischen Wiederaufbereitungsanlagen bereit gehalten). Ungeachtet der Existenz dieses enormen Plutoniumbestands, planen Japans nukleare Werke für 2007 die Betriebsaufnahme einer neuen Wiederaufbereitungsanlage in Rokkasho und einen Testlauf mit verbrauchtem Kernbrennstoff im Dezember 2005. Wenn die Anlage von Rokkasho („die erste Wiederaufbereitungsanlage in einem Atomwaffenfreien Land, die über industrielle Maßstäbe verfügt“) nach Plan läuft, so werden dort 8 Tonnen Plutonium im Jahr generiert werden, genug, um 1000 Bomben herzustellen. Der Betrieb von Rokkasho ist darauf angelegt, Japans heimischen Plutoniumbestand erheblich zu steigern, und in Japan die Ausführung des konstatierten Ziels „kein Plutonium Mehrertrag“ auf Jahre hinausschieben. Schlußendlich würde der Betrieb von Rokkasho angesichts der großen japanischen Vorräte an überschüssigem Plutonium ernsthafte Zweifel an Japans Verpflichtung wecken, den Atomwaffensperrvertrag zu stärken.
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