Webster G. Tarpley
Mit den bislang geheim gehaltenen Luftangriffen der USA gegen den Jemen, die jetzt öffentlich bekannt geworden sind, führt die Regierung Obama illegale Kriege gegen mindestens fünf Länder – Afghanistan, Irak, Pakistan, Libyen und Jemen. Angesichts der von Obama vertretenen absurden Orwell’schen Theorie, wonach kriegerische Angriffe aus der Luft keine Feindseligkeiten gemäß dem »War Powers Act« darstellen, ist nicht ausgeschlossen, dass diese Liste unvollständig ist, vielleicht sind auch anderswo heimliche Angriffe der USA im Gang. Während der Frühling an den Ufern des Potomac allmählich in den Sommer übergeht, spricht vieles dafür, dass Obamas nächster Schritt eine Dreifach-Attacke wird – denn ein Angriff auf Syrien würde die USA auch in einen Krieg mit dem Iran und den Streitkräften der Hisbollah im Libanon verwickeln. Oder sein Wüten richtet sich gegen Pakistan. Der »arabische Frühling« von Farbenrevolutionen, Militärputschen und Destabilisierungsaktionen bewegt sich unaufhaltsam in Richtung auf einen möglichen weltweiten Flächenbrand, dessen Umrisse sich bereits abzeichnen.
Nach Angaben militärischer Quellen, die am 15. Juni im Alex-Jones-Radioprogramm zu Wort kamen, sind Einheiten der US Special Forces, die im texanischen Fort Hoodstationiert sind,
angewiesen worden, sich für einen Einsatz in Libyen spätestens im Juli vorzubereiten. Ebenfalls in Alarmbereitschaft sind, angeblich für September oder Oktober, die derzeit in Irak und Afghanistan stationierten Einheiten der Ersten Kavallerie-Division und andere Einheiten des III. US-Korps, die auf verschiedene US-Stützpunkten verteilt sind. Beobachter weisen darauf hin, dass sich US Special Forces bereits spätestens seit Februar in Libyen befinden, außerdem schiene Libyen zwar als tatsächlicher Einsatzort plausibel, dennoch könnten sich einige dieser Einheiten auf dem Weg nach Jemen, Syrien, Iran oder andere Länder wiederfinden. Gleichzeitig verurteilte das russische Außenministerium die Anwesenheit des amerikanischen Lenkwaffenkreuzers Monterrey im Schwarzen Meer. Das amphibische Angriffsschiff Bataan befindet sich zurzeit vor der Küste Syriens. Eine sehr plausible Erklärung für diese Einsätze könnte sein, dass ein amerikanischer Angriff auf Syrien – unter dem Vorwand, Zivilisten zu schützen – unmittelbar bevorsteht.
Am 19. Juni meldete CNN (1) eine groß angelegte Übung von US Navy, Air Force und Marine-Corps – die größte dieser Art in der Geschichte – mit dem Codenamen Exercise Mailed Fist, die vom 19. bis 24. Juni entlang einem großen Abschnitt der Atlantikküste stattfindet. »Mit der Übung soll die Einsatzfähigkeit aller vom Marine-Corps genutzten Flugzeugtypen, darunter die MV-22 Ospreys und F/A 18 Hornets, sowie einiger Schiffe der Navy und Flugzeuge der Air Force getestet werden«, berichtete CNN. Diese Übung scheint so angelegt, dass Landungsoperationen an der Mittelmeerküste, beispielsweise in Libyen oder Syrien, trainiert werden.
Wendepunkt Juni/Juli, wie im Jahr 1848
Die Welle von britisch-amerikanischen Putschen von 2011 erinnert an ein historisches Modell: die Aufstände von 1848 in Europa. Sie begannen mit einer Revolte in Sizilien (nicht weit von Tunesien), sie führten zum Sturz des französischen Königs Louis Philippe im Februar und des mächtigen österreichischen Kanzlers Prinz Metternich im März. In diesen Aufständen entluden sich die Spannungen, die sich unter dem System der Heiligen Allianz von 1815 über Jahrzehnte hinweg aufgebaut hatten. Ausgelöst wurden sie jedoch von den Netzwerken des italienischen ultra-nationalistischen Aufwieglers Giuseppe Mazzini, einem Agenten der britischen Admiralität. Die Unruhen erfassten ganz Zentraleuropa.
Der Wendepunkt lag im Juni/Juli 1848, es begann mit einem Aufstand tschechischer Nationalisten in Prag, der nach dem 12. Juni von der österreichischen Armee unter General Windischgrätz blutig niedergeschlagen wurde. Ein Putschversuch radikaler Arbeiter und Einwohner von Paris, die in Louis Blancs Nationalwerkstätten organisiert waren, wurde in den sogenannten Junitagen, der Zeit vom 24. bis 26 Juni 1848, von dem reaktionären General Cavaignac erstickt. In Norditalien wurde die Armee des italienischen Königreichs Sardinien – das Wien den Krieg (2) erklärt hatte, um eine Rebellion in Mailand zu unterstützen, und darauf hoffte, diesen Aufstand dazu nutzen zu können, die Österreicher aus Italien zu vertreiben und einen geeinten Staat zu errichten – am 25. Juli bei Custozza von Marshall Radetzky geschlagen. Im September und Oktober begannen ungarische Nationalisten unter dem Mazzini-Schüler Kossuth einen Bürgerkrieg gegen die Kroaten, was soziales Chaos und (wie R. R. Palmer sagt) »den Krieg jeder gegen jeden« zur Folge hatte. Etwas später wurden russische Truppen aufgerufen, den Aufstand in Ungarn niederzuschlagen. Die Unruhen flammten im Frühjahr 1849 erneut auf, insbesondere mit der Schaffung von Mazzinis Römischer Republik, bevor die Aufstände am Ende des Sommers 1849 abflauten und eine Phase von Unterdrückung, Zynismus und Reaktion begann. Es könnte nützlich sein, bei der Einschätzung der heutigen Ereignisse diesen Zeitrahmen als groben Anhalt im Hinterkopf zu behalten, auch wenn man sich natürlich darüber im Klaren sein muss, dass es keine mechanische oder zyklische Wiederholung geben wird.
Ahmadineschad an Obama: Die USA haben nur die Maske gewechselt, Hände weg von Syrien
Am 8. Juni warnte der iranische Präsident USA und NATO vor einem Angriff auf Syrien: »Syrien ist ein Pionier des Widerstands. Staat und Regierung können ihre Probleme selbst lösen, für eine Einmischung von außen gibt es keine Veranlassung.« Er ermahnte bestimmte US-geführte Länder in der Region, »sich nicht weiter in die inneren Angelegenheiten Syriens einzumischen« und setzte warnend hinzu, Washington werde sich umgehend gegen diese Länder wenden, sobald die Ziele in Syrien erreicht seien. (3) Diese Warnung war wohl an Jordanien, die Kurden im Irak oder die Türkei gerichtet, über deren Hoheitsgebiete die Netzwerke von CIA und MI6 möglicherweise Waffen und Kommandos nach Syrien geschmuggelt haben, um den Aufbau der bewaffneten Banden der Moslembruderschaft zu unterstützen, denen bisher 400 syrische Soldaten und Sicherheitskräfte zum Opfer gefallen sind. »Die Amerikaner wollen sich bei den Ländern der Region mit der Durchsetzung dieses Plans beliebt machen und sich als Hüter des Völkerrechts präsentieren«, fuhr Ahmadineschad fort. Zwar habe im Jahre 2009 in den USA eine neue Regierung das Amt angetreten, doch der Charakter des herrschenden Regimes sei unverändert: »Nur die Masken sind ausgetauscht worden. Der Feldzug gegen den Terrorismus war die Maske der vorigen US-Regierung, die Maske der jetzigen ist die Unterstützung der Menschenrechte.« (4) In jüngster Zeit haben das iranische Außenministerium und führende iranische Generäle eindringlich vor jeglicher Aggression gegen Syrien gewarnt, die sie offensichtlich als Casus Belli betrachten würden. Zunehmende Angriffe schiitischer Milizen auf die US-Streitkräfte im Irak könnten ein Anzeichen dafür sein, dass Teheran über den Verlust seines wichtigsten Alliierten alarmiert ist.
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