
von Henning Lindhoff, M.A. & Alexander Benesch
Am 4. Juni 2011 veröffentlichte Oskar Lafontaine im Tagesspiegel einen Artikel, in dem er versuchte aufzuzeigen, dass er und seine Genossen im Herzen doch wahre Liberale seien. Aus lauter Entsetzen machte ich mich daran, seinen Essay Stück für Stück inhaltlich zu prüfen und kritisch zu kommentieren. Ich erkenne in Lafontaines Text ein Paradebeispiel Orwell’schen Neusprechs und der Verdrehung wirtschaftswissenschaftlicher Tatsachen mit dem Ziel, die Begriffswelt der Leser zu manipulieren und ihre Missgunst gegen die wirkliche Freiheit zu richten:
Vor 40 Jahren, 1971, veröffentlichte der FDP-Generalsekretär Karl-Hermann Flach seine Streitschrift: „Noch eine Chance für die Liberalen“. […] Der Liberalismus des Freiburger Programms war links. Die Kernforderungen dieses Programms werden heute nur von der Partei Die Linke vertreten.
Die FDP als Strohmann zu verprügeln anstatt sich mit echten Liberalen zu messen, ist wirklich ärmlich. Alle großen Parteien haben heute sozialistische Programme und die Kernpunkte von Marx verinnerlicht wie eine staatliche monopolistische Zentralbank, eine Enteignung der Bürger und die Errichtung einer Planwirtschaft. Lafontaine verweist im Zuge seiner manipulativen Wortspielchen auf das Buch „Freiheit als Privileg“ von Domenico Losurdo:
In ihm weist der italienische Philosoph nach, dass die Liberalen in ihrer Parteiengeschichte die Freiheit in der Regel als Privileg einer Minderheit verstanden haben. Die Theoretiker des Liberalismus hatten kein Problem, das hohe Lied der Freiheit zu singen und gleichzeitig die Unfreiheit und Unterdrückung ganzer Völker und benachteiligter Gesellschaftsschichten zu rechtfertigen.
Wenn sie in diesem Absatz den Begriff liberal ersetzen durch sozialistisch, dann kommt folgendes bei heraus: “…dass die Sozialisten in ihrer Parteiengeschichte die Freiheit in der Regel als Privileg einer Minderheit verstanden haben. Die Theoretiker des Sozialismus hatten kein Problem, das hohe Lied der Freiheit zu singen und gleichzeitig die Unfreiheit und Unterdrückung ganzer Völker und benachteiligter Gesellschaftsschichten zu rechtfertigen.”
Oha! Was zeigt uns diese Gegenüberstellung? Dass Menschen nun einmal Menschen sind und manche immer versuchen werden, auf Kosten anderer unrechtmäßig Vorteile zu genießen. Gerade deshalb ist es ja so wichtig, politische Macht einzudämmen und das Individuum mit robusten Rechten auszustatten wie dem Recht auf Besitz und Tausch. Natürlich gibt es genügend Blender die nach dem Moto verfahren: Liberalismus für mich, sozialistische Diktatur und Mangelverwaltung für den Pöbel. Diese sind aber für jeden leicht zu erkennen, der wirklich liberale und libertäre Schriften gelesen hat. Die westliche Industrialisierung hat leider genug kriminelle Raubbarone und Aristokraten gehabt, die andere Regeln für sich haben geltend machen wollen. Nichtsdestotrotz hatten zahllose gewöhnliche und ehrliche Menschen die Chance, Wohlstand und Lebensqualität möglich zu machen wie noch nie zuvor in den Zeiten des von Aristokraten verwalteten Feudalismus.
Die Sklaverei in Amerika wird in Losurdos Buch verglichen mit der heutigen Zeitarbeit oder 1-Euro-Jobbern. Freiheit soll, so die kranke Logik, gerade dann nur möglich sein wenn das Individuum viele elementare Freiheiten wie das Recht auf Eigentum nicht hat. Wir erkennen auch den für Sozialisten typischen miesen Trick, Emotionalisierung als Logik zu verkaufen. Marktwirtschaft verspricht nicht, einfach per Gesetz ein Paradies auf Erden zu schaffen. Es ist das einzige System, dass zwischen freien Menschen funktionieren kann, die Waren oder Arbeitskraft gegen Geld tauschen wollen. Ein solches funktionierendes Tauschsystem anzubieten, ist der einzige Sinn und Zweck der liberalen Marktwirtschaft. Marktwirtschaft basiert auf Freiheit. Niemand kann rechtmäßig gezwungen werden, seine Arbeitskraft zu verkaufen. Die ausbeuterischen Tendenzen, die wir heutztage beobachten können, basieren einzig und allein auf staatlicher Planwirtschaft und Missachtung der grundlegendsten Marktregeln. Diese Eingriffe beginnen schon bei der Geldschöpfung. Gäbe es echtes Geld in einem wirklich freien marktwirtschaftlichen System, könne nahezu niemand, auch nicht durch äußere Umstände oder Lebensbedingungen, dazu gezwungen werden, eine Arbeitsstelle anzunehmen, die für ihn keinen oder zu wenig Nutzen birgt.
Freiheit ist das Recht eines jeden Menschen, sein Leben so weit wie möglich selbst zu bestimmen. Begrenzt wird dieses Recht durch den gleichen Anspruch der Mitmenschen. Wer am Monatsende nicht weiß, ob er noch genug Geld hat, sich und seine Familie zu ernähren, ist nicht frei. […] Es ist auch kein Zufall, dass der japanische Atomkonzern Tepco Leiharbeiter in die verstrahlten Reaktoren schickte.
Was für ein heuchlerischer Doppelstandard! Wie kann irgendjemand im Ernst die Praktiken von Tepco einer freien Marktwirtschaft anlasten? Haben sozialisische Diktaturen nicht genug Leute verheizt bei Tschernobyl und in anderen Staatsbetrieben? Eine Firma allein kann auch keine Leiharbeiter ohne ausreichende Sicherheitsmaßnahmen in verstrahlte Reaktoren schicken. Dafür braucht es Zwang – entweder psychologische Manipulation, Obrigkeitshörigkeit oder das staatliche Gewaltmonopol. Ohne diese Einflüsse könnte jeder Arbeiter jederzeit sagen, dass er nicht in einem verstrahlten Reaktor arbeiten wird und könnte einfach nach Hause gehen. Lafontaine möchte den Lesern einreden, nur ohne elementare Grundfreiheiten gäbe es Wärme und Sicherheit. Außerhalb der sozialistisch-kommunistischen Plantage herrsche nur grausame Konkurrenz und das Gesetz des Dschungels. Ein Markt funktioniert nur unter Menschen, die sich freiwillig auf Tauschaktionen einigen und sich nicht gegenseitig zu etwas zwingen. Beide suchen dabei natürlich den größten Vorteil für sich.
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